Astrofotografie #2 - Die Milchstraße mit ruhender Kamera
Mit ruhender, das heißt auf Stativ befestigter, Kamera sind die Möglichkeiten, den Nachthimmel zu fotografieren, sehr eingeschränkt. Am besten geht man an einen dunklen Ort abseits der Lichtglocken von Städten, Dörfern oder Industriegebieten und fotografiert das Objekt der Begierde möglichst nahe am Zenit.
Die Milchstraße im Zenit
Wenn Sterne, Planeten, der Mond, die Milchstraße, Gasnebel oder Dunkelwolken im Zenit stehen, ist die Luftschicht zwischen Betrachter und Nachthimmel am dünnsten. Das hat zur Folge, dass die Sichtbedingungen für den jeweiligen Beobachtungszeitpunkt die bestmöglichen sind: Die vergleichsweise dünne Luftschicht, die von den Photonen ("Lichtkrümel") durchdrungen werden muss, ist weniger bewegt und turbulent und dadurch ist die Luftruhe und die Durchsichtigkeit der Luft (siehe Transparenz) maximal, was zu den gerade bestmöglichen Beobachtungs- und Fotografierbedingungen führt.
Das erste Bild zeigt die Milchstraße am 19. August 2012 über meinem Wohnort wenige Kilometer vor Garmisch-Partenkirchen. Das schimmernde Band besteht aus unzählig vielen Sternen und darin eingelagert sieht man dunkle Gaswolken, die so genannten "Dunkelnebel". Das astronomisch geübte Auge erkennt sogar den schwach rötlich leuchtenden "Nordamerikanebel" im Sternbild Schwan, knapp zwei Finger breit über dem ersten "f" der eingedruckten Internetadresse.
Es ist erstaunlich, dass diese Detail bereits mit stehender Kamera sichtbar werden, was sicherlich an der geringeren Luft- und Lichtverschmutzung in unserem Tal liegt.
Ein gegenüber dem vorigen Bild veränderter Bildaufbau durch Standortwechsel. Interessant ist, dass zenitnah abgebildete Sterne bei diesem starken Weitwinkel (16 mm eff.), auch in der Originalgröße noch beinahe punktförmig sind.
Das ISO-Rauschen (ISO 1600) war in dieser warmen Nacht allerdings sehr kräftig, der Sensor wurde mit Sicherheit richtig heiß.
Lichtverschmutzung
Die Lichtglocke über Garmisch-Partenkirchen reicht weit hinauf in den Nachthimmel. Sehr gut erkennt man, wie diese "Lichtverschmutzung" die Sterne verschluckt, die diesseits des Ortes noch zahlreich und gut zu erkennen sind.
Immerhin lässt sich die Milchstraße bis über den Gipfel der Alpspitze im Wettersteingebirge verfolgen. Unterhalb ihres Gipfels das gleißend helle Licht der Bergstation der "Alpspitzbahn" am Osterfelderkopf. Weiter rechts, am höchsten Punkt des langen Bergmassivs, die Gipfelbeleuchtung der Zugspitze. Die Beleuchtung von Burgrain und Garmisch-Partenkirchen konnte ich durch die Standortwahl mit den Bäumen im Vordergrund wirksam abschirmen und gleichzeitig eine interessante Silhouette im Bildaufbau erhalten.
Der Himmelsäquator
Das letzte Bild dieses Essays zeigt einige Besonderheiten, die sowohl astronomisch als auch fotografisch bemerkenswert sind: Die Langzeitbelichtung über 20 Minuten führte zu den hier sichtbaren Strichspuren. Sie entstehen, weil sich die Erde - und mit ihr die dort befindliche Kamera, während der Belichtungszeit weiter dreht. So erscheinen die punktförmige Sterne, unter denen sich die Erde von West nach Ost dreht, als Lichtspuren.
Besonderheit 1:
Oben links im Bild sind die Strichspuren kurz, rechts der Bildmitte viel länger.
Besonderheit 2:
Die Lichtspuren der Sterne links oben verlaufen zunehmend konzentrisch,
während sie zur rechten oberen Bildecke hin geradlinig und rechts davon
sogar in die Gegenrichtung gekrümmt verlaufen.
Erklärung:
In Bildrichtung oben links liegt der Polarstern, auf den sich etwa das
nördliche Ende der Erdachse projizieren lässt. Den Polarstern könnte man
also stundenlang belichten, ohne dass Strichspuren sichtbar werden,
weil er fast exakt an diesem Drehpunkt liegt.
In der rechten Bildecke, wo die Strichspuren am längsten und außerdem gerade sind, befindet sich der "Himmelsäquator", also der in das Weltall hinaus projizierte Äquator der Erde.
Auf der Ekliptik, die sich je nach Jahreszeit nördlich oder südlich des Himmelsäquators befindet, wandern die Sonne, und alle Planeten. Daher lässt sich an dieser Nachtaufnahme abschätzen, wo die Sonne oder die mit bloßen Augen sichtbaren Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn über den Horizont steigen werden.
Die nach rechts gebogenen Strichspuren am rechten Bildrand gehören demnach bereits zur "Südhalbkugel" des Nachthimmels. Dort liegen also Sterne und Sternbilder, die man vor allem auf der südlichen Hemisphere der Erde hoch am Himmel stehen sehen kann.
< = >
Ich liebe den Himmel
und der Himmel liebt mich