Toleranz
Worterklärung:
Das Substantiv Toleranz kommt nicht von "toll finden", sondern vom lateinischen Wort "tolerantia" und bedeutet "Duldsamkeit".
Das Verb "tolerare" ist von Toleranz abgeleitet und bedeutet "erdulden" oder "ertragen".
Toleranz fordern ist intolerant.
oder: Wer Toleranz fordert, ist intolerant.
oder: Man kann Toleranz nicht fordern, sondern nur vorleben.
Warum?
Wer von anderen Toleranz fordert, beansprucht damit gleichzeitig, selbst den richtigen, vernünftigen oder wahren Standpunkt zu haben.
Wer von anderen Toleranz fordert, verlagert die Veranwortung, etwas zu ändern, auf den anderen, während er selbst in Passivität verharrt. Gleichzeitig fühlt sich der Fordernde ungerechtfertigter Weise stärker oder besser, allein deshalb, weil er eine Forderung geäußert hat.
Nur der (vermeintlich) Starke kann fordern. Eine Forderung ist keine höfliche Bitte.
Durch die Forderung von Toleranz wird der Fokus auf den Anderen gelegt, von dem nun die Erfüllung der Forderung erwartet wird. Der Andere gerät dadurch in Zugzwang und wird mit jeder beliebigen nachfolgenden Äußerung zum "Verlierer":
- "Okay, sehe ich ein! Ich werde mich ändern!" >> Zustimmung (aber verloren!)
- "So habe ich das nicht gemeint, ... !" >> Rechtfertigung (automatisch verloren!)
- "Schau dir mal den und den an ...!" >> Ablenkung (verloren!)
Um der Forderung nach Toleranz etwas entgegen zu halten, gibt es keinen eleganten Weg. Man kann allenfalls "Ich sehe das anders!" sagen und es dabei belassen. Damit wird die Diskussion ohne Zu- oder Eingeständnisse beendet und es bleibt beim Patt.
Toleranz ist keine Lösung.
Toleranz ist kein Problem.
Warum?
Toleranz ist eine Zustandsbeschreibung.
Tolerante ertragen oder erdulden etwas,
das ihnen anders lieber wäre.
Toleranz ist keine Zustimmung.
Toleranz ist kein Konsens.
Toleranz ist eine Art "Stillhalte-Abkommen", bis der Dissenz / Konflikt gelöst ist.
Toleranz ist nicht Akzeptanz.
Tolerierte wollen lieber Akzeptanz als Toleranz.
Tolerierte müssen ertragen (sic!),
dass die Toleranz des Tolerierenden Grenzen hat.
Es ist der Toleranz eigen, dass sie begrenzt ist,
sonst wäre es Akzeptanz.
Wie eingangs erwähnt, bedeutet das lateinische Verb tolerare "dulden" oder "ertragen". Das Substantiv Toleranz bedeutet demnach "Duldsamkeit".
Es ist natürlich bequem, ein wohl definiertes Substantiv postmodern derart beliebig zu nutzen, dass es zum nichtssagenden Gummiwort verkommt - zu einer Worthülse, die zu benutzen völlig entbehrlich ist.
Die deutsche Sprache ist die vielleicht ausdrucksreichste Sprache überhaupt, in der Vergangenheit als reiches Ausdrucksmittel der "Dichter und Denker" gelobt.
Nachdem die "Dichter und Denker" inzwischen weitgehend ausgestorben sind, wird nun übertrieben fleißig nach Fremdwörtern gesucht, deren Bedeutung wir zwar nicht verstehen, deren Klang aber den Anschein bildungssprachlicher Schönheit hat, um sie anschließend, mit möglichst dehnbaren "Bedeutungen" belegt, in die eigene Sprache zu re-importieren.
Liefert das lateinische Verb "tolerare" eine substanziell andere Kernaussage, als die deutschen Worte "dulden" oder "ertragen" schon immer hatten?
"Duldsamkeit" ist eine schlanke und präzise Beschreibung für den Prozess, sich im Aushalten, im Ertragen, im Dulden anders Denkender zu üben. Es geht darum, den anders Denkenden respektvoll zu ertragen, seine andere Meinung auszuhalten. Es geht nicht darum, den anders Denkenden zu demütigen oder geringzuschätzen, weil er die Dinge anders sieht.
Duldsamkeit ist die Entscheidung: "Ich will ertragen, dass du das anders siehst!"
Duldsamkeit erlaubt dem Anderen, seine eigene Weltsicht zu haben. Duldsamkeit respektiert, was anderen wertvoll und wichtig ist - gerade dann, wenn diese Werte den eigenen Werten zuwider sind.
Duldsamkeit ist nicht das Aufgeben eigener Überzeugungen oder das Aushandeln von Kompromissen um des lieben Friedens willen. Es geht nicht um Recht haben, um die besseren Argumente oder darum, den anderen zu überzeugen.
Es geht darum, den anderen "stehen zu lassen", ihm zu erlauben "so zu sein" und "so zu denken". Das muss man selbst nicht gut finden ... aber genau das(!) ist gelebte Duldsamkeit.
Postmodern und der Beliebigkeit des Pluralismus gemäß, wird Toleranz zunehmend umgedeutet und mit einer Vielzahl an Bedeutungen gleich gesetzt oder vermischt, dabei eher verwässert als präzisiert.
Einige Beispiele: Aufgeklärtheit, Aufgeschlossenheit, Duldsamkeit, Entgegenkommen, Freizügigkeit, Großmut, Großmütigkeit, Liberalität, Menschlichkeit, Nachsicht, Offenheit, Verständnis, Vorurteilsfreiheit, Vorurteilslosigkeit – Quelle: duden.de
Dadurch wird der Begriff Toleranz zu einer leeren Worthülse, die letztendlich alles oder nichts beschreibt und deshalb entbehrlich ist.